In dieser Podcastfolge stelle ich ein neues Format vor: FASD Forschung.
Seit einiger Zeit sammle ich Meldungen über Forschungsergebnissen zu FASD. Bei Google gibt es eine Suchmaschine zu solchen Informationen: scholar.google.de
Wenn man dort z.B. „fasd“ eingibt, werden Links zu allgemeinen Artikeln und Forschungsergebnissen angezeigt.
Untersuchung: Hat Manchester ein Problem mit FASD?
Im Auftrag der Greater Manchester Health and Social Care Partnership wurde von der Salford University eine Studie durchgeführt. Federführend war die Professorin Penny Cook.
Die Kernfrage war: Hat der Großraum Manchester ein Problem mit FASD, bzw. wie verbreitet ist hier FASD?
2021 wurden die Ergebnisse dieser Studie im Fachjournal „Alcoholism: Clinical and Experimental Research“ veröffentlicht.
https://doi.org/10.1111/acer.14705
Übersetzung der Abstracts durch deepl.com:
Hintergrund
Trotz der hohen pränatalen Alkoholexposition im Vereinigten Königreich gibt es kaum Erkenntnisse über die Prävalenz von fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD). In diesem Beitrag wird über die Prävalenz von FASD bei einer kleinen Stichprobe von Grundschulkindern berichtet.
Methoden
Eine 2-Phasen-Studie zur aktiven Fallaufnahme wurde in 3 Grundschulen im Großraum Manchester, Großbritannien, durchgeführt. Die Schulen befanden sich in Gebieten, die von relativ benachteiligt bis relativ wohlhabend reichten. Bei der Erstuntersuchung von Kindern im Alter von 8-9 Jahren wurden vorab festgelegte Kriterien für ein erhöhtes FASD-Risiko angewandt (zu klein für das Alter; sonderpädagogischer Förderbedarf; derzeitige/frühere Betreuung; signifikante soziale/emotionale/geistige Symptome). Screening-positive Kinder wurden zur detaillierten Feststellung von FASD eingeladen, wobei Goldstandard-Messungen durchgeführt wurden, die die medizinische Vorgeschichte, Gesichtsdysmorphologie, neurologische Beeinträchtigungen, exekutive Funktionen und Verhaltensschwierigkeiten umfassten.
Ergebnisse
Von 220 in Frage kommenden Kindern fielen 50 (23 %) positiv aus, und 12 % (26/220) wurden in Phase 2 weiter untersucht. Zwanzig Kinder wiesen eine Entwicklungsstörung auf, von denen 4 FASD hatten und 4 als mögliche FASD eingestuft wurden. Die Prävalenzrate von FASD in diesen Schulen betrug 1,8 % (95 % CI: 1,0 %, 3,4 %) und unter Einbeziehung möglicher Fälle 3,6 % (2,1 %, 6,3 %). Bei keinem dieser Kinder war zuvor eine Entwicklungsdiagnose festgestellt worden.
Schlussfolgerungen
Es wurde festgestellt, dass FASD in diesen Schulen häufig vorkommt und dass die meisten besonderen Bedürfnisse dieser Kinder zuvor nicht erkannt worden waren. Um Rückschlüsse auf die Prävalenz von FASD in der Bevölkerung ziehen zu können, ist eine größere, aussagekräftigere Studie erforderlich, bei der die Schulen anhand von Zufallsstichproben nach dem Grad der Benachteiligung ausgewählt werden.
Cook et al. 2021
Es hört sich nun etwas ernüchternd an, dass bei der Zahl der untersuchten Kinder, keine eindeutigen statstischen Aussagen gemacht werden können.
Erläuterung und Kommentar im Blog der Uni
In einem Blog-Artikel der University of Salford, Manchester, wird die Studie in einen größeren Zusammenhang gesetzt.
Die Greater Manchester Health and Social Care Partnership hat seit 2019 ein innovatives Programm zur Verhinderung und Bekämpfung der Schäden durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft durchgeführt. Das Programm bietet Beratung und Unterstützung für werdende Mütter und ihre Partner bei der Schwangerschaftsplanung, während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Die Studie unterstreicht die Bedeutung dieser Arbeit und unterstützt weitere und umfassendere Maßnahmen.
Die Studie habe herausgefunden, dass 1,8% der teilnehmenden Kinder FASD hatten (das entspricht 619 Kindern in Greater Manchester) und 3,6% möglicherweise FASD hatten (das entspricht 1.238 Kindern). Keines dieser Kinder hatte zuvor eine Diagnose einer Entwicklungsstörung erhalten und daher keinen Zugang zu zusätzlicher Gesundheits- und Bildungsunterstützungen.
Der schottische Podcast „Spotlight on FASD“
Im schottischen Podcast „Spotlight on FASD“ haben Clare Devanney und Jessica Rutherford die Professorin Penny Cook zu der Studie interviewt.
Das ist auf YouTube zu sehen und zu hören: https://youtu.be/XEjyhnum5Pw
In dem Interview wird deutlich, wie schwierig es war allein die 220 Kinder der Studie zusammen zu bekommen. Zunächst gab es Anfragen bei mehr Schulen. Bei einigen stießen die Forscher:innen auf Widerstand bei Lehrer:innen oder Eltern. Es gab die Befürchtung, dass die Untersuchung sehr viel Unruhe in der Schule auslösen könnte. Auch das Thema „Alkohol in der Schwangerschaft“ brauchte viel Überzeugungsarbeit. Und dann kamen noch die Einschränkungen von Corona dazu.
Das Thema Verbreitung von FASD habe ich in der Podcastfolge C19 verarbeitet. Ich komme dort zu dem Schluss, dass etwa 2% der Menschen in Deutschland FASD haben. Das sind rund 1,5 Mio. Menschen. Diese Größenordnung wird von der Manchester-Studie bestätigt.
Warum ist es wichtig, genauere Zahlen über die Verbreitung von FASD zu haben?
Es ist wichtig, …
… weil FASD eine „unsichtbare“ Behinderung ist.
… um ein ausreichendes politisches Gewicht zu verleihen.
… um in unserer Gesellschaft auch mit dieser Behinderung besser gemeinsam zu leben. Die minimale Voraussetzung ist die Kenntnis dieser Beeinträchtigung.