Eine der schwierigsten Phasen für Menschen mit FASD ist der Übergang in Schule und Beruf. Das gilt auch für die Begleiter.
Andreas Trümper hatte ich schon einmal in der Episode C23 zu Gast.
Wie die Übergänge in diese neuen herausfordernden Lebensbereiche zu gestalten sind, wollten wir noch in einer weiteren Folge vertiefen.
Da sind wir.
Mein Gast arbeitet für den Landschaftsverband-Rheinland. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist, Menschen mit Behinderung, die sonst durch das soziale Netz fallen, in Maßnahmen z.B. Wohngruppen unterzubringen.
Es gibt zahlreiche Maßnahmen und Einrichtungen, deren Kernaufgabe es ist, Übergänge in Ausbildung und Beruf zu ermöglichen.
Wie werden dort die Übergänge tatsächlich gestaltet?
Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM)
In der drei Monate Eingangsphase wird für die Menschen mit Behinderung eine passende Arbeit gesucht, die den Stärken und Fähigkeiten entspricht. Dies wird in 24 Monaten weiter vertieft.
Häufig gibt es eine Überschätzung, so dass Menschen mit FASD erst mal in anderen Maßnahmen scheitern, bis sie in einer Werkstatt landen.
Berufsbildungswerk
Berufsbildungswerke sind die nächst „höhere“ Stufe, wo qualifizierte Ausbildungsabschlüsse erworben werden können, als auch praktische Qualifizierungen, z.B. Fachpraktiker. Meistens sind die Auszubildenden in diesen ortsfernen Einrichtungen im Internat unter gebracht.
Kooperative Ausbildung
Kooperative Ausbildung bedeutet, dass ein Bildungsträger die Ausbildung mit einer Ausbildungsstätte und der Berufsschule koordiniert, im Auftrag der Agentur für Arbeit. Dieses Modell ist relativ weit verbreitet, man findet die Einrichtungen aber oft nicht.
Z.B. ist die Fachpraktikerin für personenbezogenen Service ist eine relativ neue Ausbildmöglichkeit mit einem weiten Spektrum an Einsatzmöglichkeiten.
andere Leistungsanbieter
Es gibt Alternativen zur WfbM. Denn auch andere Leistungsanbieter können Angebote – vergleichbar einer Werkstatt – machen. Das wurde durch das Teilhabegesetz (BTHG) ermöglicht. Diese können sich auf einen bestimmten Personenkreis beschränken, z.B. Menschen mit FASD. Das können Werkstätten nicht, die haben eine Aufnahmepflicht.
Budget für Arbeit
Das ist eine Finanzierung für einen Arbeitsplatz auch außerhalb einer Werkstätte. Der Träger übernimmt dann bis zu 75% der Lohnkosten. Inzwischen sind diese Förderungen nicht mehr befristet oder im Zuschuss abnehmend.
Unterstützte Beschäftigung
Unterstützte Beschäftigung ist eine gute Hilfe gerade für Menschen mit FASD, weil es eine individuelle Begleitung auf den Arbeitsmarkt vorsieht. (z.B. Hamburger Arbeitsassistenz) Passende Arbeitsplätze werden gemeinsam auf dem Arbeitsmarkt gesucht oder auch passend gemacht.
Damit ist aber nicht die gleichnamige Maßnahme der Arbeitsagentur gemeint. Diese ist oft nicht gut für Menschen mit FASD geeignet.
Die wichtigste Unterstützung in den Übergängen in Ausbildung und Beruf
Das wichtigste ist ein Gegenüber zu finden, das sich schon mit FASD beschäftigt hat oder dazu bereit ist. Andreas bietet Fortbildungen zu FASD insbesondere im Werkstättenbereich an. Die Resonanz ist allerdings bisher verhalten.
Wichtig ist auch eine überschaubare Einrichtung zu finden.
Die jungen Menschen wirken oft sehr selbständig. „Gehört der hier hin? Der kann doch auf den ersten Arbeitsmarkt.“ Das führt zu Überschätzungen und Überforderungen, oft auch zu Abbrüchen.
Menschenbild an Möglichkeiten orientiert
Das Menschenbild in der Eingliederungshilfe und den Werkstätten hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt. Heute wird sich vielmehr an Möglichkeiten orientiert und weniger an Einschränkungen, die die Teilhabe am sozialen Leben beschränken. Das beinhaltet auch die Möglichkeit des Scheiterns ohne rauszufliegen.
Links
- C23 – Mit FASD in Ausbildung und Beruf
- Andreas Trümper – LVR Verbund Heilpädagogische Hilfen
- Rehadat.de: Datenbank, die viele der angesprochenen Maßnahmen erläutert, mit vielen Links zu Einrichtungen und Anlaufstellen
- Werkstatt für behinderte Menschen
- Berufsbildungswerk
- Kooperative Ausbildung
- Budget für Arbeit
- Unterstützte Beschäftigung
Hallo Wolfgang,
vielen Dank für diese tolle Sendung!
Wir erleben hier mit meinem Pflegesohn genau diese desolate Situation! Er ist jetzt in einer beruflichen und schulischen Ausbildung gescheitert und reagiert mittlerweile massiv ablehnend auf alle professionellen Interventionsangebote, sei es Agentur für Arbeit, Psychotherapie etc.
Bis zum 16. Lebensjahr lief es bei im wirklich gut und er hat mit viel Unterstützung und Nachsicht den mittleren Bildungsabschluss geschafft. Was für ein kapitaler Fehler!
Seitdem wird er ständig und überall überschätzt, fällt aus vielen Förderprogrammen heraus und wird schlichtweg für zu faul oder asozial eingestuft. Hätte man mich vorher beraten, hätte ich das mit dem Abschluss regelrecht unterbunden, denn jetzt ist sein Leben eine Tortur!!
Es regt mich persönlich auf, dass alle "Helfer" diese Diagnose in den Mund nehmen und absolut NICHTS darüber wissen und sie das auch unbehelligt dürfen, obwohl ihre Klienten leiden! Sie denken, ihr guter Wille hilft.
Des weiteren haben die Ämter, die beratend sein sollen, keine Ahnung und kein Geld. Das mit dem Geld wird einem ständig erzählt, das Sozialgesetzbuch wird einem nur mit entsprechenden Abkürzungen bzgl. komplexer Verflechtungen um die Ohren gehauen.
Jetzt, wo mein Sohn 18 geworden ist, wird der Druck immer größer, immer mehr Türen schließen sich und es wird offenbar, was alles versäumt wurde. Habe jetzt Kontakt zum Teilhabefachdienst wegen aufsuchenden Hilfen aufgenommen. Wieder mal einer, der höchst erstaunt war, dass dies davor noch nie in Erwägung gezogen wurde, obwohl mein Sohn die Diagnose seit 2014 hat! Ein wirkliches Elend!
Deswegen bin ich immer froh, Infos zu bekommen, um zu versuchen, seine Lage zu verbessern!
Beste Grüße
Einsehr gelungener und kompetenter Podcast
Danke, Bernharth, das höre ich gerne.
Vielen Dank für den sehr informativen Beitrag und den sehr gelungenen Podcast. Wir erarbeiten gerade einen Artikel zu einem ähnlichen Thema und konnten dank Ihnen nochmal gute Einblick in das Thema erhalten.
Das freut mich zu hören.