Ich versuche das unmögliche, in 360 Sekunden, also 6 Minuten, zu erklären, was es mit FASD auf sich hat.
Los geht’s.
Was ist FASD?
Wenn ein Mensch vorgeburtlich Alkohol ausgesetzt war, hat das oft gravierende Entwicklungsstörungen zur Folge. Insbesondere ist das Gehirn davon betroffen. Alkohol ist Gift für das Wachstum. Da der Fötus den Alkohol kaum abbauen kann, ist er viel länger einer höheren Dosis ausgesetzt als die Mutter.
Begriff / Diagnose
FASD ist die Abkürzung für Fetale Alkoholspektrumstörungen. Das D von FASD steht für den englischen Begriff disorders. FASD ist der Sammelbegriff – das Spektrum – von drei verschiedenen Diagnosen.
Bei der Diagnose wird auf 4 Bereiche geachtet:
- Gesichtsmerkmale: schmale Lidspalte, schmale Oberlippe, flache Hautfalte unter der Nase
- Größe, Gewicht: klein und leicht bei der Geburt und im Kindesalter
- Gehirn: kleiner Kopfumfang, Intelligenzmiderung, Ergebnisse aus diversen Tests
- Getrunken: Hat die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken?
Unterschiedliche Auffälligkeiten in diesen 4 Bereichen bestimmen die Diagnose: FAS, pFAS und ARND
Diese Diagnosen sagen erst mal nichts über die Schwere der Beeinträchtigung aus. Manchmal sind sie nicht klar zu treffen. Dennoch kann es sein, dass ein erheblicher Unterstützungsbedarf nötig ist.
Mit FASD leben
Wir haben es hier mit sehr unterschiedliche Menschen zu tun. Und es gibt unterschiedliche Ausprägungen von Störungen. Menschen mit FASD haben nicht nur Defizite sondern auch besondere Stärken. Kurz es sind einzigartige, liebenswerte Menschen. Das möchte ich vorausschicken, bevor wir jetzt von Gehirnschädigungen sprechen.
Gehirnschädigung
In der Embryonal-Entwicklung wirkt Alkohol besonders toxisch auf das Gehirn. In dieser Zeit werden Gehirnzellen vermehrt und sie erhalten unterschiedliche Aufgaben. Das ist die Grundlage für die weitere Vernetzung der Gehirnzellen.
Bei FASD sind die Funktionen des Frontalhirns besonders betroffen. Es sind die sogenannten exekutiven Funktionen.
- Das Arbeitsgedächtnis oder Kurzzeitgedächtnis ist wichtig, um Informationen im Gedächtnis zu halten, die bei aktuellen Aufgaben und Tätigkeiten gebraucht werden.
- Inhibition oder Hemmung ist ist die Fähigkeit des Gehirns, unwichtige, störende oder ablenkende Informationen zu ignorieren, um sich auf eine bestimmte Aufgabe oder Aktivität zu konzentrieren.
- Die kognitive Flexibilität ermöglicht schnell zwischen verschiedenen Aufgaben und Anforderungen zu wechseln, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und auf Veränderungen zu reagieren.
Wenn diese grundlegenden Funktionen gestört sind, kann man sich leicht vorstellen, wie selbst Alltagsaufgaben beeinträchtigt werden.
Um Menschen mit FASD zu unterstützen, muss man zunächst umdenken. Die Schwierigkeiten kommen nicht durch einen Mangel an Motivation oder Faulheit. Es sind hirnorganische Schädigungen, die dazu führen. Es liegt nicht am Nicht-Wollen, sondern am Nicht-Können. Ein Appell „reiß dich zusammen“, „streng dich an“ oder „konzentrier dich“ läuft ins Leere.
Oft übernehmen Eltern und andere Betreuungspersonen Funktionen, die gerade nicht verfügbar sind. Das bedeutet viel Präsenz und Aufmerksamkeit, sowie eine vorausschauende Haltung. Eine stabile Beziehung ist dabei besonders wichtig.
Für alle Beteiligten ist FASD eine lebenslange Herausforderung.
Ich fand den Beitrag sehr gelungen, um ein breites Publikum anzusprechen. Auch gut fand ich die Baumartige Struktur des Bildes. Zusätzlich gewünscht hätte ich mir noch einen einprägsamen Satz zu den oft sehr massiven und lebenslangen Beeinträchtigungen, die mit der Erkrankung einhergehen. Denn oft stellt man erst spät so ab der Pubertät fest, dass sich da „nichts auswächst“. Viele Ämter übersehen das gerne.
Danke für den Kommentar.
Bestimmt werde ich dieses Video noch mal überarbeiten. Dann kann ich einen Hinweis auf lebenslange, teils massive, Beeinträchtigungen einbauen.
Hallo und guten Tag ,
ja die Problematik Wohngruppen auf Dauer ist eine Problem.
Wir haben noch 1 FAS Kind 12 Jahre daheim und 1 FAS Kind jetzt 16 Jahre (wechselte nach 14 Jahren bei uns in Wohngruppe) , sitz z.Zt. nach 3 maligen Aufenthalt in spezieller Klinik Gammertingen in dieser fest, weil Wohngruppe sie nicht mehr aufnimmt wegen fehlenden Personalschlüssel / Aufwand . Zu uns darf sie nicht mehr zurück weil wir keine Pflegeeltern mehr sind und weil es um die restlichen Pflegekinder bei uns nicht mehr geht bzw zugelassen wird. Es gibt keine Wohngruppe mit freien Platz wo sie aufnehmen kann.
Dieser Jugendliche sitzt auf gepackten Koffer, weiss nicht wohin er kommt, bei wem oder in welchen Bundesland sie in Zukunft evtl zuhause sein wird. Sie verliert Ihre Heimat und ihren Bezug zu uns, weil es keine Wohngruppen für das Krankheitsbild in unserer Gegend gibt
Hallo Herr Hanus, das ist eine niederschmetternde Geschichte, die wahrscheinlich gar nicht so selten ist. Nun kann ich auch keine Wohngruppen zaubern.
Vielleicht kann FASD Deutschland helfen, es gibt eine Seite mit regionalen Ansprechpartnern, die sich wahrscheinlich in der Region besser auskennen: https://www.fasd-deutschland.de/regionale-ansprechpartner/
Dasselbe könnte für Selbsthilfegruppen gelten: https://www.fasd-deutschland.de/selbsthilfegruppen-in-deutschland/
Es gibt auch regionale „Teilhabe-Beratungs-Stellen“ (EUTB), die bestimmt gut vernetzt sind und jemanden kennen, der jemanden kennt …
https://www.teilhabeberatung.de/
Ich drücke die Daumen, dass ihre Tochter passende Hilfe bekommt.